Birgit ist Tour-GuideIn aus Leidenschaft. Dabei hält sie keine Vorträge, sondern zeigt ihren Besuchern wie eine gute Freundin ihr faszinierendes Berlin. Unsere Fotografin Fiona hat sie bei ihrer Tour an der Berliner Mauer-Gedenkstätte begleitet:

Es ist ein schöner milder Tag, als ich vom S-Bhf. Nordbahnhof zur Gedenkstätte Berliner Mauer laufe. Mit mir auf der Straße sind noch viele andere Menschen. Einige hat bestimmt das schöne Wetter aus den Büros und Wohnungen nach draußen gelockt und sie sind vielleicht unterwegs zum nahen Mauerpark. Andere sind deutlich als Touristen zu erkennen: Familien und kleine Gruppen, die sich neugierig umdrehen und in allerlei Dialekten und fremden Sprachen sprechen und denselben Weg nehmen wie ich: zur Mauer-Gedenkstätte. Angekommen an der Bernauer Straße, öffnet sich eine große Rasenfläche. Ob dies schon die Gedenkstätte ist? Überall stehen Menschen vor Schautafeln und Resten abgerissener Bauten. Weiter hinten sehe ich eine Kapelle. Und nun entdecke ich auch das übrig gebliebene Stück der Berliner Mauer. Hier bin ich mit Birgit verabredet. Sie ist Tour-GuideIn und führt regelmäßig Gruppen und Einzelpersonen durch die Gedenkstätte. Während ich mich von ihr durch die Mauer-Gedenkstätte führen lasse, möchte ich heute vor allem eins von ihr erfahren, nämlich wie es so ist, Tour-GuideIn zu sein.

[Fiona:] Wie bist du Tour-Guide geworden? Und was musstest du dafür lernen oder mitbringen?

[Birgit:] Etwas ganz Bestimmtes lernen oder eine Ausbildung machen muss man eigentlich nicht, da ja Tour-Guide kein geschützter Beruf ist. Trotzdem haben die meisten Tour-Guides eine Art Lehrgang gemacht. So etwas bieten zum Beispiel die Unternehmen an, die die Tour-Guides auch beschäftigen. Bei mir ist das etwas anders, weil ich bereits gelernte Tourismuskauffrau war. So habe ich die meisten wichtigen Dinge schon gewusst und musste mich nur noch in das spezielle Thema einarbeiten. Und das ist alles, was mit der Berliner Mauer zu tun hat.

Dein Thema ist die Berliner Mauer. Wieso machst du Touren gerade zu diesem Thema?

Natürlich spielt auch immer der Zufall eine gewisse Rolle. Als ich mich entschieden habe, Tourguide zu werden, war dies meine erste Tour. Ich habe mich sehr gründlich darauf vorbereitet und die Mauer hat mich umso mehr interessiert, je tiefer ich in das Thema eingestiegen bin. Geholfen hat mir bestimmt auch, dass ich eine „waschechte“ Berlinerin bin. Meine Familie lebt schon in der vierten Generation in Berlin und ich habe die Berliner Mauer sogar noch selbst miterlebt. Heute freue ich mich darüber, eine Expertin zu sein.

Die Tour habe ich dann behalten und sogar noch ausgebaut. Und mit jeder Gruppe oder Einzelführung entwickelt sich auch mein Wissen immer ein bisschen weiter. Denn meine Besucher tragen mit ihren Fragen und manchmal sogar mit eigenen Erinnerungen zur Mauer selbst einiges zu den Führungen bei. Und die besten persönlichen Anekdoten kann ich dann wiederum bei weiteren Führungen verwenden.

Mir ist bei unserer Führung aufgefallen, dass du gar keinen Vortrag hältst, sondern wir eher in einem Dialog durch die Ausstellung gehen. Machst du das bei Führungen grundsätzlich so?

Ja, das finde ich viel angenehmer, als wenn ich die ganze Führung über alleine rede. Fragen sind bei mir immer sehr willkommen. Auf diese Weise kann ich viel individueller auf die tatsächlichen Wünsche meiner Besucher eingehen. Denn sie kommen ja auch mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen. Schulklassen haben natürlich ganz andere Interessen und wissen auch ganz andere Dinge von der Berliner Mauer als zum Beispiel Menschen, die die Mauer noch selbst erlebt haben. Auch bei größeren Gruppen, die aus ganz unterschiedlichen Teilnehmern bestehen, wie zum Beispiel Familien, ist es wichtig, auf jeden einzelnen so gut wie möglich einzugehen. Sonst erzählt man den einen, was sie schon wussten, und andere sind überfordert, weil ihnen die Vorkenntnisse fehlen.

Im Dialog mit der Geschichte

Tour-GuideIn Birgit erläutert im Gespräch mit ihren Besuchern die einzelnen Stationen der Gedenkstätte und macht die Geschichte der Berliner Mauer erlebbar.

Was sind das für Menschen, die eine Führung zur Berliner Mauer buchen? Und was sind ihre wichtigsten Fragen?

Die Besucher sind wirklich sehr verschieden. Es reicht von der Schulklasse und der Familie bis hin zu Einzelführungen mit ganz unterschiedlichen Teilnehmern. Interessant finde ich immer wieder, dass sich Menschen, die die Mauer nicht selbst erlebt haben, tatsächlich nicht vorstellen können wie die Berliner mit dieser Situation gelebt haben – und das 28 Jahre lang. Immer wieder möchten Besucher genau wissen, wo die Mauer verlief, wie nah man herangehen durfte, auf welcher Seite der Ost- oder West-Teil Berlins lag usw. Solche Fragen kommen sehr häufig. Gerade bei Schulklassen erlebe ich oft, dass Schüler überhaupt das erste Mal etwas von der Geschichte der Berliner Mauer hören.

Aber es gibt auch Besucher, die eigene Erlebnisse mit der Mauer verbinden und ganz bewusst noch einmal in ihre Geschichte eintauchen möchten. Vielleicht hilft das manchen auch, etwas zu verarbeiten, was weit in der Vergangenheit liegt. Bei solchen Führungen sind die Gespräche natürlich etwas intensiver und manchmal erfahre ich selbst etwas Neues oder ganz persönliche Geschichten.

Die Tour hier an der Mauer-Gedenkstätte findet ja im Freien statt – bei jedem Wetter?

Ja, eine gebuchte Tour fällt eigentlich nie aus. Da muss ich etwas lächeln, denn das liegt an einem ganz einfachen Grund. Die Touren werden ja im Voraus gebucht. Und wer so etwas schon bezahlt hat, der möchte natürlich auch, dass die Tour stattfindet. Deshalb gehen wir auch über die Gedenkstätte, wenn es regnet oder schneit. Aber für mich hat das eigentlich noch nie einen Unterschied gemacht. Denn das Interesse und die Fragen der Menschen sind vom Wetter ganz unabhängig und mir persönlich machen sie bei jedem Wetter Spaß.

  • Tour-GuideIn Birgit erklärt jede Station der Ausstellung.
  • Am Ende der Tour geht es auch um den Fall der Mauer vor 30 Jahren.
  • Diese Installation zeigt den ehemaligen Mauer-Verlauf. Heute kann man einfach hindurchgehen.
  • Das Hauptgebäude der Gedenkstätte.

Zum Schluss noch einige technische Fragen: Wie läuft so eine Tour ab? Und wie lange dauert sie?

Eine Tour beginnt immer an einem Treffpunkt, nämlich dort, wo auch wir uns getroffen haben. Zuerst lernen wir uns kurz kennen und ich finde heraus, wo die Interessen-Schwerpunkte liegen. Dann gehen wir ca. 2 Stunden über die Gedenkstätte. Wo wir etwas länger bleiben und ich etwas ausführlicher erkläre, hängt davon ab, was meine Besucher wissen möchten. In der Regel lassen wir aber keine Station aus. Die Zeit reicht immer, die wichtigsten Dinge ausführlich zu besichtigen. Am Ende der Tour kommen wir fast immer noch ins Gespräch. Die Zeit nehme ich mir gerne, weil ich es wirklich toll finde, wenn sich Menschen für meine Stadt interessieren. Viele fragen auch nach weiteren Tipps für ihre Berlin-Reise, zum Beispiel nach Aussichtspunkten, von denen man Berlin von oben im Ganzen sehen kann oder nach Kiez-Tipps wie dem Mauerpark. Mit unserem Interview ist nun auch meine Tour mit Birgit vorüber.

Auf den Bildern seht ihr einige Stationen, die wir an der Gedenkstätte Berliner Mauer besucht haben. Birgit und ich gehen jetzt noch auf einen Kaffee zu einem ihrer ganz persönlichen Kiez-Tipps. Und wenn ich in Zukunft an einer Touristengruppe mit Tour-Guide vorbeikommen, weiß ich nicht nur mehr über den Beruf des Tour-Guides. Ich werde auch mit Spaß an unsere „Interview-Tour“ denken.

Mehr über Birgit, ihr Berlin und ihre Touren erfahrt ihr auf ihrer Instagram-Seite: https://www.instagram.com/birgitelpunkt

Tour-GuideIn Birgit

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Autor

Fiona ist Fotoreporterin bei UrbanIMPULS und freie Fotografin in Berlin.

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